Gero Walters Kolumne - erster Beitrag

Es gibt viele Gründe, sogenannte Seifenopern (auch bekannt als "daily soaps", also wochentäglich gesendete Fernsehserien im Vorabendprogramm, in denen es primär um Probleme der Protagonisten mit ihren Liebes- bzw. Lebenspartnern, Familienangehörigen und Freunden geht) abzulehnen, sei es die Flachheit der erzählten Geschichten, die Eindimensionalität der Charaktere oder die Hölzernheit der Kulissen und der schauspielerischen Leistungen, die ja nicht verwundern kann, wenn man bedenkt, dass solche Serien tatsächlich wie am Fließband produziert werden (zumeist müssen mehrere Folgen an einem Tag abgedreht werden) - ich möchte diesen Argumenten noch eines hinzufügen: Seifenopern vergiften das Reden über Beziehungen.
Wer über seine eigene Beziehung oder diejenige seiner Bekannten redet (besonders wenn es um Krisen geht), wird sich, wenn er solche Fernsehserien nicht konsequent meidet, öfters dabei ertappt fühlen, die gleichen Ausdrücke, die gleichen Sätze, die gleichen Formulierungen wie die Protagonisten dieser Serien zu verwenden, so dass das eigene Leben, die eigene Beziehung zur Nachäffung der platten Geschichten und Konstellationen aus diesen Serien zu verkommen scheint.
Wer Freunde mit Liebeskummer trösten, selbst Liebesschwüre verfassen oder eine Beziehung beenden will, wird alsbald auf die schon tausendmal versendeten vorgestanzten Beziehungsformulierungen in seinen Worten stoßen, oder sich in der plakativen Küchenpsychologie üben, deren Argumentationsschienen schon zu Dutzenden in jeder dieser Vorabendserien vorexerziert wurden.
Aus den ebengenannten Gründen (und nicht primär wegen der überschaubaren künstlerischen Qualität) versuche ich, den Kontakt mit Seifenopern weitestgehend zu vermeiden. Damit ich über unkontaminierte Worte verfügen kann.





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